"We are only truly secure when we can look out our kitchen window and see our food growing and our friends working nearby."
(Bill Mollison)
"(Reisen) wie einer, der ein Land
nicht als Solarium begreift,
sondern als Territorium,
dessen Einwohner ihm etwas beibringen,
über sich, über ihn, über den Stand der Dinge."
(Andreas Altman, Reisen durch einen einsamen Kontinent)

jueves, 23 de febrero de 2012

Alltag und Alltagsflucht

Je mehr Zeit ich hier verbringe desto besser lernen ich diese Stadt und ihre Bewohner kennen und bekomme mit jedem Tag mehr das Gefuehl, auch "hinter die Kulissen" blicken zu koennen. Santa Marta ist eine haesslich, schoene Stadt. Andreas Altman beschreibt Kolumbien in seinem Buch "Reise durch einen einsamen Kontinent" als ein Land der Extreme und was fuer ganz Kolumbien stimmt, trifft ebenfalls fuer Santa Marta zu. Hier gibt es Alles von boese und gewaltsam bis unglaublich herzlich und gastfreundlich. Zwei Welten, die aufeinanderprallen und somit Reibungsflaeche erzeugen. Mir wird auf dem Nachhauseweg die Handtasche weggerissen, von zwei offensichtlich zugedroehnten Drogenabhaengigen. Tja Pech gehabt, zur falschen Zeit am falschen Ort und was fuer mich zutrifft gilt fuer die Beiden noch viel mehr. Tja Pech gehabt, keine Chance auf Zukunft zu haben. Wenn ich auswaehlen koennte, wuerde ich immer lieber die Ausgeraubte sein, als ein Leben in solchem Elend auf der Strasse fuehren zu muessen. Dann fuenf Minuten nach dem Raub, die ersten Kolumbianern, denen ich die Story erzaehle, entschuldigen sich sofort fuer ihre Landsleute und schaemen sich, dass Touristen in ihrem Land so etwas passiert. In der Regel sind die Menschen hier aber extrem hilfsbereit und was so total abgelutscht klingt, stimmt wirklich. Mich erschtaunt es selbst immer wieder, wie nett Kolumbianer zu wilfremden Touristen sind, weil sie ihr Land von der besten Seite repraesentieren wollen, weil sie Stolz  auf ihr Land sein wollen, das so viel zu bieten hat aber leider nach wie vor mit so vielen Problemen kaempft. Busfahrt vom Zentrum zum barrio Oasis, die vielsagender nicht sein koennte. Vorbei an Fressbuden und Konsumtempeln, Reichenquartiere mit fett umzaeunten Haeusern und je weiter man sich vom Zentrum entfernt, desto schaebiger werden die Unterkuenfte und auch die Kleidung der Menschen. Geteerte Strassen schwinden zu Staubpisten und anstatt Beton und Zement dienen Wellblech oder Holz aus Baumaterial fuer Behausungen.
Aber auch ein Gang durch die Strassen im Zentrum reicht aus um das Extreme zu erleben. Ein Eselskarren, der vor einem Riesentruck an der Ampel wartet, streunende Hunde die sich zwischen den wartenden Autos durchschlaengeln. Die 5. Avenida mit Laeden von sehr schick mit Preisen die ich mir kaum leisten kann, bis zu Laeden mit dem groessten Ramsch zu kleinsten Preisen. Fast alles was man drinnen kriegen kann, gibt es ebenfalls auf der Strasse zu kaufen . Auf den Gehstegen allerlei Kleinverkaeufer die ihre Produkte auf Marktstaenden anbieten. Oder ein umgekehrter Papkarton reicht oft auch schon als Warenauslage. Da gibt es alles zu kaufen von Batterien ueber Stifte und Hefte, alles fuer die Schoenheitspflege, Taschen, Rucksaeche, Schuhe usw. usf. Sehr beliebt sind ebenfalls Fernbedienungen oder Handyaufladegeraete und morgens kann man vom Hostel aus regelmaessig einen Verkaeufer "controles, controle, controles" (Fernbedienung)  aus vollem Leibe schreien hoehren. Die Gehsteige sind vielerorts so zugestellt mit Waren, dass ein durchkommen oft schwierig ist und man sich quasi anstellen muss um vorbeigehen zu koennen. So hat man wenigstens Zeit die wunderbaren Waren und Kuriositaeten der Haendler zu bestaunen. Die Option Strassenseite wechseln kommt hier praktisch nicht in Frage, denn 1. sieht es auf der anderen Seite ziemlich gleich aus und 2. gibt es bei dem Verkehr, der durch die 5. Avenida vorbeibraust meistens auch kein durchkommen.
Die von Verkehr verstopften Strassen und der omnipraesente Laerm, Gehupe, Gebruell, Musik aus allen Ecken, Hundegebelle oder Kindergeschrei. Dies alles macht die Stadt fast unertraeglich. Doch schon ein paar Schritte weiter sehe ich wie die ganze Stadt mit einem Mal viel weicher wird, wenn die Hausmauern von der Abendsonne orange gefaerbt werden. Und ich dann schliesslich an der Strandpromenade ankomme, wo mir der Wind durchs Haar streift und ich die letzten Sonnenstrahlen des Tages auf der Haut spuehre, und die Sonne im Meer verschwienden sehe. So denk ich dann wieder, oh du wunderschoenes Santa Marta. Zur Entspannung hilft auch immer in einer der Haengematten, auf der Dachterrasse des Hostels, die Beine hochzulegen, den Stadtlaerm nur noch von weitem zu hoehren und dazu einzudoesen.





Nach drei Wochen Santa Marta am Stueck wurde mir das Ganze dann doch zu viel, die Arbeit mit den kleinen Kindern bei Mariposas und die Arbeit mit den "grossen Kindern" im Hostel. Ich brauchte eine Pause! So fuhr ich nach Costeno Beach einem Hostel, ca. eine Stunde von hier, direkt am Strand gelegen. Und wie ich da ankomme wird mir sofort klar: Ich haette schon viel frueher hierher kommen sollen. Es ist wunderschoen hier und genau das, was eine menschliche Seele nach intensivem Stadtleben braucht. Die unglaubliche Ruhe hier, die nur von Meeresrauschen, Vogelgezwitscher und gelegentlichen Gitarrenklaengen unterbrochen wird. Der Blick auf Meer und Wellen, die angenehme Brise, die den Sonnenstrahlen die perfekte Temperatur auf der Haut gibt. Wiedereinmal im Sand hocken, in einer Haengematte schlafen und barfuss gehen. Sand, Gras und Steine unter den Fuessen, kein Stadtdreck, der einem fast die Flipflops am Boden festklebt. Den Blick auf die Sierra Nevada, die vom Dunst weichgezeichneten Berge, die wie grosse Beschuetzer weit im Hintergrund stehen und die unglaubliche weite des Horizontes ueber dem Meer. Ich hatte ganz vergessen.. Ganz vergessen, unter den Aufregungen des Stadtlebens, wie herrlich Natur und Einfachheit sein kann und wie unglaublich wichtig sie zur Erholung sind.

martes, 14 de febrero de 2012

leben...

Nun bin ich bereits zwei Wochen hier in Santa Marta, habe mich eingelebt und wieder etwas Alltagsrutine gefunden. Montag-, Dienstag- und Mittwochnachmittag bin ich immer bei den Kindern, was sehr anstrengend sein kann aber eben gleichzeitig auch herrlich ist. Eine bunt gemischte Rasselbande mit Kindern im Alter von ca. 4 bis 13 Jahren. Wir arbeiten mit drei Klassen die "Kleinen", die "Mittleren" und die "Grossen", wobei bei einigen Kindern der Wissensstand gerade im Bezug auf Lesen und Schreiben nicht dem altersgemässen Nieveau entspricht und so die Klassen eher nach Können und nicht nach Alter aufgeteilt sind. Leider merkt man vielen Kindern ihre Herkunft an, sie haben Mühe sich länger zu konzentrieren und die Umgangsformen untereinander und mit den Materialien sind oft nicht gerade zimperlich. Ausnahmen gibt es natürlich auch hier. Die Schwierigkeit besteht darin denen etwas zu bieten, die aktiv dabei sind und gleichzeitig die im Auge zu behalten, die weniger diszipliniert sind. Leider sind die "Störenfriede" gerade die, welche es besonders nötig hätten etwas zu lernen, denn meisten kaspern sie nur rum, um von ihren Schwächen abzulenken. Glücklicherweise sind wir inzwischen regelmässig um die sechs Freiwiligen, was das Arbeiten wesentlich erleichtert. Es gab auch Tage, an denen wir nur zu Zweit oder Dritt hingefahren sind, was dann ein wesentlich grösseres Chaos bedeutete.
Die Arbeit in diesem Barrio (Quartier) hat mich ziemlich zum nachdenken gebracht, denn die Umstände in denen die Menschen hier leben sind sehr ernüchternd, ironischerweise heisst das Barrio "Oasis" gleicht aber so gar nicht dem, was man sich unter einer Oase vorstellt. Vor allem bei den Kindern sind viele Defizite bemerkbar und wenn man an ihre Zukunft denkt, wird es für viele von ihnen wohl nicht sehr rosig werden. Dann schweifen meine Gedanken weiter, Oasis ist bloss ein Barrio von Santa Marta, es gibt viele Weitere mit ähnlich schlechten Bedingungen, und dann Kolumbien weit, und weltweit gesehen. So kam dann unweigerlich die Frage, was mache ich hier überhaupt, dass hat ja doch alles keinen Sinn, schliesslich ist doch die ganze Gesellschaft, das ganze System krank! Meine Zweifel sind immer noch nicht ganz ausgeräumt aber ich kam irgendwann zum Schluss, dass man es immerhin versuchen muss. Steter Tropfen höhlt den Stein, und wenn meine Bemühungen dazu führen, dass ein einziges Kind eine bessere Chance hat im Leben zuschlage zu kommen, dann ist es das allemal Wert.