"We are only truly secure when we can look out our kitchen window and see our food growing and our friends working nearby."
(Bill Mollison)
"(Reisen) wie einer, der ein Land
nicht als Solarium begreift,
sondern als Territorium,
dessen Einwohner ihm etwas beibringen,
über sich, über ihn, über den Stand der Dinge."
(Andreas Altman, Reisen durch einen einsamen Kontinent)

sábado, 17 de marzo de 2012

Adios Santa Marta - Hallo Grippe, Regen und Höhenkrankheit

Sechs Wochen war ich nun in Santa Marta und das Hostel zu verlassen viel mir auf keinen Fall einfach. Um den Abschied etwas sanfter zu gestalten, fuhr ich noch einige Tage nach Taganga, wo ich bei einem Freund gratis übernachten konnte. So konnte ich etwas Abstand gewinnen, hatte Santa Marta aber immer noch in Reichweite. Um eine bleibende Erinnerung von der Küste mitzunehmen, beschloss ich mit einer Freundin ein Pircing machen zu lassen. Ich war mir bis zum Schluss nicht ganz sicher, ob ich wirklich sollte, doch als ich den Preis erfragte, und von der netten Dame 15000 Pesos zur Antwort bekam, brauchte ich nicht weiter nachzudenken. In der Schweiz bezahlt man für das gleich um die 100 Franken, hier waren es glatte 7.50.- , so ziehrt nun ein Silbersteinchen meine Unterlippe;-)
In den letzten Taganga-Tagen hatte ich noch ein witztiges Erlebnis. Es gibt ein Büchertauschladen, geführt von einer Schweizerin, wo ich etwas rumstöberte. Schon beim Eintreten hatte ich den Sohn irgendwas auf Berndeutsch schreien höhren, was mich ziemlich amüsierte. Als ich durch war mit gucken, richtete ich mich mit ein paar Fragen an ihn. An der Wand hing ein Zettel, wo Freiwillige für einen Kindermalnachmittag gesucht wurden. Der Sohn wusste selbst nicht recht und schrieh dann zur Mutter "z Frölein het do e Frog..". Noch auf dem Nachhauseweg konnte ich mir das Grinsen kaum verkneifen, als Frölein wurde ich also SEHR lange nicht mehr bezeichnet! Am nächsten Tag half ich dann tatsächlich beim Malen und kam mit einer anderen, ca. 60jährigen Schweizerin ins Gespräch. Als sie mich fragte "schaffet si scho lang mite Ching" musste ich zwei Mal nachfragen, weil ich dachte die Frage nicht verstanden zu haben und schlussendlich dann fragte, wenn sie den mit "si" meinte? Als sie mich verwirrt anschaute ging mir auf, dass sie mich selbst meinte. Nur hatte ich die Höflichkeitsform schon so lange nicht mehr gehört, dass ich es nicht mal mehr verstand. Da wurde mir bewusste, dass ich echt schon eine Weile unterwegs bin.

Mit schwerem Herzen stieg ich dann schlussendlich Freitagabends in den Nachtbus nach Medellin ein. Es war ja nicht nur das vom Hostel weggegen sondern auch die Tatsache, dass ich nun, nach über drei Monaten immer am Meer sein, die Küste verlassen musste. Ich wollte ja weiterreisen und neue Orte entdecken aber der Gedanke nun das Meer und auch das super Wetter für eine ganze Weile nicht mehr sehen zu können, gefiel mir gar nicht. Und wie wenn Petrus mir noch Eins auswischen wollte begann es auch schon wenige Stunden nach der Abfahrt zu Regnen! Immer hin ein Lichtblick, im Bus wurde ein Film gezeigt, denn ich von einer Busfahrt in Nicaragua kannte, das Ende aber nie gesehen hatte, da der Busfahrer irgendwann, ohne Vorwahrnung einfach den Film gegen eine Karaoke-CD austauschte. So freute ich mich darauf nun endlich erfahren zu können, wie es ausgeht. Aber irgendwie war ich ziemlich erschöpft. Noch im Hostel hatte ich die Grippe aufkommen gespürt, und mir deshalb ein Alka-C für die Nacht gegönnt. Meine Augen wurden immer schwerer und ehe ich mich versah, lief der Abspann über den Bildschirm, so ein Mist, schon wieder denn Schluss verpasst. Die Wirkung des Alka-Cs liess dann leider auch immer mehr nach, meine Füsse begannen Eiswürfeln zu gleichen, da sich Kolumbianische Busse wohl mit Tiefkühlern verwechseln und die Klimaanlagen immer unmenschlich kalt eingestellt werden.Und so, während sich der Bus immer weiter bergauf schlängelte, ging es mit mir immer weiter bergab!
Nach einer durchfrohrenen und nicht sehr erholsamen Nacht kam dann morgens unterwartet das Erstaunen. Wir passierten Landschaften wie aus einem Märchenland. Überall Hügel und Berspitzen um uns herum und der Morgennebel zog durch die Täler, wie wenn jemand eine Rauchmaschiene angeschaltet hätte. Es war so traumhaft schön, dass ich es kaum glauben konnte.
In Medellin dann erneut die Ernüchterung. Die Reise und die Nacht im Bus hatte mich so  viel Kraft gekostet, dass ich nun entgültig die Grippe hatte, da half auch kein Alka-C mehr. Zwei Tage lag ich flach. Muss wohl ein komisches Bild abgegeben haben, bei den Couchsurfern, bei denen ich übernachten konnte. Komme rein, hatte noch die Energie für ein 10 Minuten Anstandsgespräch, bevor ich dann ins Bett sank und für die nächsten zwei Tagen praktisch nicht mehr aufstand.

Am Montag hatte ich mich dann so weit erholt, dass ich immerhin die Stadt besichtigen konnte. Und wie ich so durch die Strassen gehen wird mir plötzlich bewusst, wieso ich seit Tage so unglaubliche Kopfschmerzen habe: die Höhe! Es fiel mir wie Schuppen von den Augen, als ich eine Treppe hochstieg und schon nach den ersten paar Stufen um Atem rang und oben angekommen einem Herzinfarkt nahe war. Die letzten paar Monate hatte ich immer auf Meeresniveau oder zumindest in sehr geringen Höhen verbracht. Nun bin ich in einer Nacht von 0 auf ca. 1800 Meter ueber Meer gefahren, irgendwie verständlich, dass mein Körper eine gewisse Reaktion zeigt.
Mit der Metro fuhr ich dann in den Botanischen Garten und wie die Stadt so an mir vorbeizog, fühlte ich mich wie in einer anderen Welt. Alles war so anders als an der Küste. Vor allem vom Häusermeer war ich beeindruckt, so weit das Auge reicht nur rote Backsteinmauern. Um noch eine bessere Sicht der Stadt zu erlangen kann man mit dem Metrocable (Seilbahn) zu den abgelegneren Viertel fahren, die sich über die Hänge der Medellin umgebenden Berge ziehen. Und schon nach ein paar Metern wird einem bewusst, dass Armut auch in Medellin existiert. Den Backsteinhäusern weichen Wellblechdächer und   Holzhütten, alles ein bisschen schräg, alles ein bisschen improvisiert. Von meinem Kolumbianischen Couchsurfer erfahre ich, dass die Metrocable vor allem aus sozialen Gründen gebaut und in der Gründungszeit kontrovers diskutiert wurde. Die Idee war, die abgelegenen, von Armut betroffenen Viertel, den Anschluss ans Zentrum zu erleichtern und so die Integration zu fördern. Zu der Zeit zählten diese Viertel allerdings zu den gefährlichsten in Medellin, Bandenkriege und Drogenhandel gehörten zur Tagesordnung. Die Ängste, der im Zentrum wohnenden Menschen ist verständlich, man war besorgt was passieren würde, wenn nun all diese "bösen" Menschen so leichten Anschluss ins Zentrum haben werden. Aber heute zeigt sich, dass die Strategie aufgegangen ist. Die Stadt hat Geld in die ärmsten Viertel investiert, sich um die Menschen gekümmert, dies am nötigsten hatten und vor allem auf Verbesserung der Bildung gesetzt. Die Gewaltrate nahm stetig ab und die Banden- und Drogenproblematik bekam man in den Griff. Heute ziert die berühmte Bibliothek Parque España den Hügel des Barrio Santo Domingo, ein Zentrum das sich nicht nur mit dem Ausleihen von Büchern beschäftigt, sondern auch den Umgang mit Computer und Internet lehrt, verschiedene Ausstellungen zeigt, Kultur vermittelt und Alt und Jung verschiedenste Bildungsmöglichkeiten bietet. Für mich beeindruckend zu sehen und zu hören, wie aus einem gefürchteten Viertel ein blühender Wohnort wurde. An diesem Beispiel lässt sich zeigen, dass wenn man Probleme aus der Welt schaffen will, dafür in der Regel etwas investiert werden muss. Und in der Schweiz werden immer mehr Gelder für soziale Projekte und Bildung gestrichen und die gleichen Leute wundern sich dann, wieso Jugendliche kriminell sind, Menschen auf der Strasse leben, Drogenkonsum und -handel eine aktuelle Problematik ist...





Biblioteca Parque España



Medellin Zentrum


martes, 6 de marzo de 2012

Haareschneiden

Normalerweise wäre Montags Oasis-Tag aber heute ging ich ins Barrio Fundadores, dem anderen Quartier, in dem Mariposas Amarillas arbeitet. Seit drei Wochen ist Amy aus Kanada bei uns, sie ist Frisörin und unterrichtet einigen Frauen aus dem Quartier wie Haareschneiden. Das Projekt hat zum Ziel, dass sich die Frauen so, mit den neu erworbenen Fähigkeiten, später etwas dazuverdienen können. Meine Aufgabe war nun, mein Kopf hinzuhlaten, auf die angenehme Weise allerdings, ich war für heute Haarmodel.Kein einfaches Unterfangen für die Frauen, denn mein Haar ist bei Weitem nicht das einfachste zum Schneiden. Die Mischung aus zuviel Wind, Sonne und Salzwasser und zu wenig Bürsten machten meine Mähne ziemlich widerspenstig. Die Frauen erledigten ihre Herausforderung jedoch mit Bravour, und das nach nur drei Wochen Training.
Der Nachmittag war aber auch nebst der neuen Frisur ein voller Erfolg. Ich lernte die Menschen dieses Quartiers kennen und konnte sehen unter welchen Umständen sie leben. Auch hier ist die Armut deutlich sichtbar, wenn auch nicht so erdrücken wie im Barrio Oasis. Hier sind viele Strassen wenigstens geteert und es gibt eine Busverbindung ins Zentrum.
Amy ist eine meiner Lieblingspersonen hier, sie ist gekommen um wirklich Land und Leute kennenzulernen, etwas zu geben, und um viele Erfahrungen reicher zu werden. Neben ihren Frisörfähigkeiten brachte sie ebenfalls übriggebliebenes Geld aus einem früheren Projekt mit, um eine Person auch in der Hinsicht zu unterstützen. Verdient hätten es natürlich alle, Geld fehlt hier wie Wasser in der Sahara, aber Amys Mittel sind beschränkt und so wollte sie jemand spezielles unterstützen. Sie brauchte nicht lange nach einer geeigneten Person zu suchen. Sheryl, eine ihrer Studentinnen prilierte mit grossem Interesse, Pünktlichkeit und sie hilft ebenfalls bei Marposas Amarillas als Freiwillige mit. Die 18jährige ist nun am Studieren, ihre Familie hat aber leider kein Geld um das weitere Studium zu finanzieren, da selbst für Essen das Geld oft knapp ist. Mit Amys Unterstützung kann nun das Studium finanziert werden und alle waren zu Tränen gerührt, Sherly, ihre Eltern und schlussendlich auch Amy selbst, überwältigt von der emotionalen Reaktion, die ihr Geschenke ausloeste.
Mit von der Partie war heute auch Joel, ein Fotograf aus den USA, auch er unterwegs, um Land und Leute kennen zu lernen. Im Hostel hat er von Amys Projekt erfahren und fand es so interessant, dass er mitkommen wollte, um ein paar Bilder einzufangen. Für ihn nahm der Nachmittag allerdings eine tragische Wendung. Die Kinder vor Ort waren total fasziniert von der Kamaera, wollten sich fotografieren lassen, die Bilder sehen und selber knipsen und plötzlich, mit so vielen Fingern im Spiel, waren alle Fotos weg! Eine 30 Gb Speicherkarte, alles gelöscht. Jeder der selbst auf Reisen ist und fotografiert, kann sich vorstellen, was  fuer ein Schock das ist. Dieses Mal stand das Glück aber auf Joels Seite. Zurück im Hostel schloss er die Kamera am Laptop an und welch ein Wunder, die Fotos tauchten auf dem Bildschirm auf. Also doch nicht ganz gelöscht, nur nicht mehr auf der Kamera ersichtlich. Selbt ich fühlte mich um Tonnen leichter, nachdem ich von der freudigen Nachricht erfahren hatte.
Was für ein Tag!





Die wunderschönen Bilder die Joel geschaffen hat, können auf folgendem Link angeschaut werden: