"We are only truly secure when we can look out our kitchen window and see our food growing and our friends working nearby."
(Bill Mollison)
"(Reisen) wie einer, der ein Land
nicht als Solarium begreift,
sondern als Territorium,
dessen Einwohner ihm etwas beibringen,
über sich, über ihn, über den Stand der Dinge."
(Andreas Altman, Reisen durch einen einsamen Kontinent)

lunes, 3 de septiembre de 2012

Erster Arbeitstag


Normalerweise fährt Dona Librada morgens mit dem Quatrimoto auf die Strandpatroullie und bringt die Meeresschildkröteneier ins Zentrum. Doch leider sind in den letzten Tagen gleich beide Fahrzeuge kaputt gegangen, und so war es an uns zu Fuss den Strand abzugehen. Die Sonne war noch nicht zu sehen, nur ihre Strahlen drückten bereits durch, was die Wolken rosa färbte und uns ein wunderschönes Aufwach-Panorama bot. Schliesslich war es 6 Uhr 30 und wir waren kaum aus dem Bett. Nun galt es die Nester aufzuspüren um möglichst viele Eier ins Zentrum zu bringen. In der Hochsaison, von Juni bis August, werden nur ca. 10 Prozent der Nester eingesammelt, nämlich diejenigen, die am gefährdetsten sind. Zum Beispiel weil sie zu nahe am Wasser liegt und durch die steigende Brandung weggespült werden könnte. Da wir aber in der temporada baja, also am Ende der Saison sind, werden praktisch alle Eier ins Zentrum gebracht um die höchst mögliche Zahl an Brut zu schützen. Von den Nestern die in der Natur belassen werden, werden nur aus 60 Prozent der Eier Babyschildkröten, die es bis ins Meer schaffen. Wir hingegen, mit den Eiern aus dem Zentrum, haben eine 90 prozentige Erfolgsrate.
Wir suchen also die Schildkrötenspuren im Sand, die irgendwie Lastwagenreifen gleichen, und meistens in U-Form vorzufinden sind. Hinweg und Rückweg, eine Spur aus dem Meer und eine wieder zurück. So gehen wir am Strand entlang, kreuzen Spur für Spur und ich denke mir schon, wieso wir jetzt nicht die Eier suchen. Da meint Lucio nur, diese Spuren seien von vor zweit Tagen. Aha, man muss also auch die frischen Spuren erkenne können, da es ja jede Nacht neue gibt. Nach einigen alten Spuren finden wir dann auch die Frischen von letzter Nacht. Ein Nest graben wir aus, eine weitere Spur war nur ein Fehlalarm, ein Tier, das zwar aus dem Wasser kam aber ohne ein Nest zu bauen wieder verschwand, da es wohl nicht der richtige Platz gewesen war. Und dann entdecken wir noch eine Spur. Aber halt, wo ist denn hier der Rückweg?? Bei Meeresschildkrötenschützer läuten in so einer Situation alle Alarmglocken, gibt es nur eine Spur, heisst das, dass das Tier nicht wieder ins Meer zurückgekehrt ist. Und tatsächlich, wir klettern die Düne hoch und finden in der Vegetation ein Muttertier. Wir nähern uns an und ich als letzte verstehe nicht wieso die andern alle ihre Gesichter so verziehen bis ich das Tier umrundet habe und die Schulter sehe... Über der rechten Flosse klafft eine riesen Wunde, ein Loch so gross wie eine Faust. Über Handy verständigen wir Ricardo im Zentrum, der meint wir sollen den Strandrundgang beenden während er sich auf den Weg macht. Während die anderen weiter gehen, bleibe ich beim verletzten Tier und muss schauen, dass sie nicht ins Meer zurückkehrt. Mit so einer Wunde wären ihre Überlebenschancen ziemlich gering.
Mit einer Plastikflasche (es liegen genug Angeschwemmte am Strand rum) hole ich Meereswasser und netzte das Tier. Sie hat Glück heute ist es bewölkt, an einem sonnigen Tag wäre sie vielleicht schon vertrocknet. Zu neuem Leben erweckt durch die Erfrischung, beweg sie sich vorwärts, der Instinkt treibt sie, sie will zurück ins Meer. Ich stelle mich also vor sie und sehe ihre Augen, ein so anmutiges Tier, ich wünschte ich könnte ihr sagen, dass ich doch nur helfen will. Aber das einzige was sie möchte muss ich verhindern. In der Zwischenzeit sind die anderen wieder zurück, sie haben eine abgekürzte Patrouille gemacht heute, es wird langsam heiss und die Eier müssen zurück ins Zentrum. Ricardo ist immer noch nicht da und dabei sind wir doch nicht so weit vom Zentrum. Lucio macht mit seinem Handy ein Foto von der Wund und geht dann mit den anderen zurück. Ich bin wieder alleine mit dem Tier, dass mich immer noch mit diesen Augen anschaut und die Welt nicht versteht. Später kommt Ricardo mit einem Sonnenschirm um dem Tier Schatten zu geben, es ist zwar immer noch bewölkt aber die Sonne drückt langsam durch und eine Meeresschildkröte ist nie so lange an Land. Und dann endlich kommt die ersehnte Hilfe. Freunde von Ricardo von der proteccion civil so etwas wie Bürgerhilfe/Zivilschutz darunter ein Sanitäter, der das Tier notdürftig verbindet. Tonio der Mann vom Zivilschutz bringt auch gleich seine Familie und Freunde mit, die sollen die doch eher spektakuläre Rettungsaktion auch sehen. Mit einem Netz wird das Tier eingebunden und dann auf das mitgebrachte Quatrimoto gehieft, eine Meeresschildkröte wiegt locker 100kg. Unsere ist noch jung, um die 80 Jahre alt! Mit dem Quatrimoto wird die Meeresschildkröte ins Zentrum gebracht, armes Tier, das normalerweise nur in Schneckentempo über den Sand kriechen kann, fliegt jetzt über den Strand.
Im Zentrum geht die eigentliche Behandlung los. Das Tier wir auf einen Tisch gelegt und festgebunden, ihr Instinkt sagt ihr immernoch geh zurück ins Meer und das versucht sie auch. Zu sechst versuchen wir das Tier möglichst ruhig zu halten, damit der Sanitäter die Wunde nähen kann. Alles kein Problem sagt der, es schaue gleich aus wie bei den Menschen auch und Fleischwunde ist Fleischwunde. Zum Glück haben Meeresschildkröten extreme Selbstheilungskräfte und die Wunde, obwohl recht gross, hat fast aufgehört zu bluten. Nachdem die Wunde vernäht ist, wird das Tier in das, für solche Fälle vorgesehene Becken gebracht, wo es die nächsten Tage zur Beobachtung bleiben wird. Neben den hunderten von Babymeeresschildkröten haben wir jetzt auch ein Muttertier. Für das verwundete Tier nicht sehr angenehm aber für mich trotzdem irgendwie aufregend. In der Zwischenzeit hat Pepi schon unzählige Formulare ausgefüllt und die Behörden wurden informiert. Ein vom Aussterben bedrohtes Tier einzusperren muss erstens einen trifitigen Grund haben und zweitens von den Behörden genehmigt werden. Zu dem Zweck wurde der ganze Prozess auch reichhaltig dokumentiert, Fotos von allen Stufen der Rettungsaktion und eine Liste der anwesenden Personen. So hat man für den Fall der Fälle genug Beweismittel um sich zu verteidigen. Die Gesetzte sind streng und das zu recht.
Die ganze Aktion dauerte dann doch ziemlich lange und mittlerweile war es schon wieder Abend. Die Bäuche knurrten vor Hunger, den ganzen Tag auf den Beinen und noch nichts Richtiges im Magen. So waren alle froh, als Tonio mit Essen aus dem Dorf zurück kam, wir es uns auf der Terrasse mit Meeresblick schmecken liessen und mit einem kühlen Bier auf den zwar traurigen aber erfolgreichen Tag anstiessen. 

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